Das gab es seit 1957 nicht! Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze.
Und was bringt das (leider) wieder für Sie als Arbeitgeber?

Am 20. September 2021 hat das Bundeskabinett den Referentenentwurf „Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022“ des BMAS beschlossen. Dieses Jahr wurde der Kabinettsbeschluss mit Spannung erwartet. Schließlich enthielt der Entwurf die Senkung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (West). Der Bundesrat hat zwischenzeitlich zugestimmt.

Da sich die steuer- und sozialversicherungsfreien Höchstbeiträge zugunsten einer bAV gem. § 3 Nr. 63 EStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV bundeseinheitlich an der BBG West orientieren, können sich im Einzelfall Auswirkungen auf bestehende Verträge ergeben. Alle wesentlichen Fakten haben wir nachfolgend zusammengestellt.

  • Was waren die Gründe dafür?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich für Sie als Arbeitgeber?
  • Welche Besonderheiten gelten ggf. bei Tarifverträgen?

Was waren die Gründe dafür?

Gemäß § 159 SGB IV verändert sich die BBG jeweils zum 01.01. eines Jahres im gleichen Verhältnis, in dem die Bruttogehälter und -löhne der Arbeitnehmer im vergangenen zu den entsprechenden Bruttogehältern und – löhnen im vorvergangenen Kalenderjahr stehen.

Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie verlief die Lohnentwicklung in Deutschland negativ. Im Westen betrug sie -0,34 Prozent und im Osten -0,15 Prozent. Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) ist aufgrund derer Angleichung an die BBG (West) bis 2024 im Unterschied dennoch um 50 € pro Monat zu erhöhen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die im gesamten Bundesgebiet einheitlich geltenden Beitragsbemessungsgrenzen für die Kranken- und Pflegeversicherungen unverändert bleiben, da es trotz Absinken des Lohnniveaus zu keiner rundungsrelevanten Reduzierung kommt.
In der betrieblichen Altersversorgung wurde die Absenkung der BBG (West) mit einer gewissen Sorge gesehen. Die Höhe des gesetzlichen Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung gemäß § 1 a BetrAVG als auch die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit von Entgeltumwandlungen orientiert sich ja an dieser geltenden Jahres-BBG (West).

Der steuerfreie Höchstbetrag zur bAV gem. § 3 Nr. 63 EStG beträgt 8 % der BBG West. 2022 können somit bundeseinheitlich 6.768 EUR p.a. bzw. 564 EUR p.m. steuerfrei zugunsten einer Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds aufgewendet werden. Dieser Höchstbetrag gilt unabhängig davon, ob die Beiträge durch den Arbeitgeber oder im Wege der Entgeltumwandlung finanziert werden. Im Vergleich zu 2021 ist die Höchstgrenze um 4 EUR monatlich gesenkt worden.

Der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag zur bAV gem. § 3 Nr. 63 EStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV beträgt 4 % der BBG West. 2022 können somit bundeseinheitlich 3.384 EUR p.a. bzw. 282 EUR p.M. sozialversicherungsfrei zugunsten einer Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds aufgewendet werden (Arbeitgeber-Beiträge wie Beiträge aus einer Entgeltumwandlung). Im Vergleich zu 2021 ist die Höchstgrenze um 2 EUR monatlich gesenkt worden.

Der Appell vom Gesamtverband der Versicherungen (GDV) und der aba Arbeitsgemeinschaft für betrieblichen Altersversorgung e.V. in Stellungnahmen an das BMAS, die BBG wenigstens für die betriebliche Altersversorgung auf dem Niveau von 2021 beizubehalten, blieb jedoch ungehört.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in Abstimmung mit dem BMAS erklärt, dass es keine Billigkeitsregelung zur Vermeidung möglicher negative Folgen für die bAV durch eine Absenkung der BBG West geben wird. Somit sind die neuen Höchstgrenzen bei der Verbeitragung und Buchung der bAV-Beiträge ab 2022 uneingeschränkt anzuwenden.

Welche Konsequenzen ergeben sich für Sie als Arbeitgeber?

Die folgenden Ausführungen sind nur für solche bAV-Verträge bzw. Versorgungszusagen an Arbeitnehmer von Bedeutung, bei denen die in 2021 geltenden steuer- bzw. sv-freien Beträge voll ausgeschöpft werden und es infolge der Absenkung der BBG zu Überdotierungen kommt.

Übersteigt der bAV-Beitrag die geförderten Höchstgrenzen hat dies insoweit grundsätzlich eine Steuer- oder Beitragspflicht zur Folge:

Steuerliche Überdotierung
Übersteigt der Beitrag die Höchstgrenze von 8% der BBG West, unterliegt der übersteigende Beitrag der individuellen Lohnbesteuerung. Der Arbeitgeber muss bAV-Beiträge, die die Höchstgrenze übersteigen, anteilig dem steuerpflichtigen Lohn zurechnen.

Leistungen aus einer Direktversicherung (Pensionskasse, Pensionsfonds), die nicht auf steuerfreien Beiträgen beruhen und insoweit ungefördert sind, werden wie private Rentenversicherungen besteuert (Ertragsanteilbesteuerung bzw. Ertragsbesteuerung für Kapitalleistungen). Es kommt nicht zu einer Doppelversteuerung.

Der Versorgungsträger nimmt eine Splittung der Leistung nach geförderten und ungeförderten Beiträgen vor. Bestehen für einen versorgten Arbeitnehmer mehrere Versicherungsverträge mit Beiträgen gemäß § Nr. 63 EStG ist eine Mitteilung des Arbeitgebers an den Versorgungsträger erforderlich, bei dem der Versicherungsvertrag besteht, für den die notwendige Beitragsaufteilung in gefördert und ungefördert vorgenommen werden soll.

Sozialversicherungsrechtliche Überdotierung
Beiträge, die den Höchstbetrag von 4 % der BBG West übersteigen, sind in vollem Umfang und in allen Zweigen der Sozialversicherung dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt hinzuzurechnen und unterliegen insoweit der Abgabenbelastung. Hierbei ist der sv-freie Höchstbetrag vom Bruttogehalt, nicht von dem bis zur BBG beitragspflichtigen Gehalt, abzuziehen.

Für fällige bAV-Leistungen besteht grundsätzlich die volle Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (GKV, GPflV) bis zur jeweiligen BBG. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungen auf ungeförderten bzw. bereits verbeitragten Beiträgen beruhen. Insoweit kann es bei Überdotierung zu einer sogenannten Doppelverbeitragung kommen.

Bei der Doppelverbeitragung sind folgende Ausnahmen zu beachten:

  1. Es gilt für Pflichtversicherte eine Freigrenze (§ 226 Abs. 2, S.1 SGB V) bzw. ein Freibetrag (§ 226 Abs. 2, S.2 SGB V – nur im Rahmen der KV) für fällige bAV-Leistungen.
  2. Es besteht keine Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR/PV) für bAV-Leistungen, die mit Riesterbeiträgen finanziert worden sind.
  3. Es werden keine KvDR/PV-Beiträge auf Leistungen erhoben, soweit die Leistungen auf privaten Beiträgen beruhen, die der Arbeitnehmer als VN gezahlt hat.
  4. Privat krankenversicherte Leistungsempfänger sind von der Beitragspflicht nicht betroffen.

Auswirkungen auf ArbG-Zuschüsse
§1a Abs. 1a BetrAVG regelt den Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung SV-Beiträge einspart. Besteht bereits eine Entgeltumwandlung mit mehr als 4% der BBG-alt, können der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer diese grundsätzlich beibehalten und die Finanzierung des Vertrages auch bei einer reduzierten BBG fortführen. Dies gilt auch für einen pauschal gewährten Arbeitgeberzuschuss (15 %). Diese Vorgehensweise ist aus administrativer Sicht die einfachste Lösung und verursacht keinen Folgeaufwand bei Erhöhung der BBG in 2023.

Würde der Arbeitgeber den 15 %-Zuschuss strikt auf 4 % BBG West in 2022 begrenzen, ergäbe sich eine Reduzierung von 0,30 EUR monatlich. Dieser Korrektur stünde jedoch ein enormer administrativer Anpassungsaufwand gegenüber, der sich in 2023 entsprechend wiederholen würde.

Wird der Arbeitgeberzuschuss spitz abgerechnet, muss aufgrund des reduzierten sv-freien Betrages (4 % der BBG-neu) je nach Höhe des Umwandlungsbetrages und des nach Umwandlung bestehenden Gehalts ermittelt werden, ob sich die Zuschusshöhe ändert. Ggf. muss der Arbeitgeber den Versorgungsträger informieren und bestehende Verträge anpassen. Leistet der Arbeitgeber den Zuschuss in der Jahresabrechnung als Sonderzahlung, muss er diesen infolge der reduzierten BBG auf Jahresbasis neu berechnen.

Handlungsoptionen
Da bereits in 2023 mit einem erneuten, vermutlich sogar deutlichen, Anstieg der BBG West zu rechnen ist, werden die Auswirkung einer Überdotierung nur temporär auftreten. Zudem ist zu beachten, dass für eine technische Änderung (Beitragsreduzierung und ggf. erneute Beitragserhöhung) bei den Versorgungsträgern in der Regel bedingungsgemäß eine Verwaltungsgebühr erhoben wird, die das Deckungskapital belastet. Diese Kosten können höher sein als die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Überdotierung.

Letztlich entscheiden Arbeitgeber und Arbeitnehmer – bei Entgeltumwandlung – wie im Falle einer Überdotierung in 2022 verfahren werden soll. Folgende Optionen sind denkbar:

Fortführung des Beitrags
Ein bestehender bAV-Beitrag kann versicherungstechnisch unverändert fortgeführt werden. Es ergeben sich ggf. die beschriebenen, geringfügigen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen. Arbeitgeber müssen die Gehaltsabrechnungssysteme entsprechend anpassen. Bei einer Überschreitung der steuerlichen Dotierungsgrenze muss der Arbeitgeber dem Versicherer gem. § 5 LStDV die veränderte Beitragsaufteilung nach geförderten und ungeförderten Beiträgen mitteilen.

Steigt die Renten-BBG in 2023 wieder an, können die Beiträge automatisch wieder vollständig steuer- bzw. sozialversicherungsfrei gebucht werden. Somit ergibt sich voraussichtlich lediglich für 12 Monate ein geringer Verlust an steuer-/sv-rechtlicher Förderung. Zudem bedeutet die Fortführung in der Praxis den geringsten administrativen Aufwand, um die vorrübergehende BBG-Senkung zu überbrücken. Die Auswirkungen für den Arbeitnehmer sind marginal und eine Reduzierung der versicherten Leistungen wird vermieden.

Reduzierung des Beitrags
Auf ausdrücklichen Mitarbeiterwunsch könnte der bAV-Beitrag reduziert werden, um eine steuer- oder sv-freie Überdotierung zu vermeiden. Arbeitgeber müssen mit Zustimmung der Arbeitnehmer (bei Entgeltumwandlung) eine Beitragsreduzierung beim Versicherer beantragen. Die reduzierten Leistungen werden per Nachtrag dokumentiert. Auch die internen Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung sind anzupassen. Diese Option gestaltet sich nicht nur administrativ aufwändiger, sondern belastet den Vertrag gg. auch mit zusätzlichen Kosten (Verwaltungsgebühr). Dies wird bei betroffenen Arbeitnehmern häufig zu Irritationen führen und erhöhten Erklärungsbedarf auslösen. Zudem ist eine erneute Anhebung des Beitrags bei einem Anstieg der BBG in 2023 ggf. nicht uneingeschränkt möglich.


Arbeitsrechtliche Hinweispflichten
Aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht lassen sich im Regelfall wohl keine Informationspflichten des Arbeitgebers in Bezug auf die vergleichsweise geringfügigen Auswirkungen der BBG-Senkung herleiten. Insofern bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, ob er freiwillig die betroffenen Arbeitnehmer oder allgemein über die BBG-Senkung informieren möchte. Um Irritationen und Rückfragen zu vermeiden, empfiehlt es sich „betroffene“ Arbeitnehmer aufzuklären.

Im Ergebnis dürften die Auswirkungen der BBG-Absenkung für das Jahr 2022 in der Praxis eher gering sein. Dennoch müssen Abrechnungssysteme nachjustiert werden, um eine fehlerfreie Umsetzung zu gewährleisten.

Welche Besonderheiten gelten ggf. bei Tarifverträgen?

Bei einer Entgeltumwandlung ist der Grundsatz zu beachten, dass Entgeltansprüche, die auf einem Tarifvertrag beruhen, nur dann in eine betriebliche Altersversorgung umgewandelt werden können, wenn dies durch Tarifvertrag vorgesehen oder zugelassen ist (sog. Tariföffnungsklausel, vgl. § 20 Abs. 1 BetrAVG).

Enthält der Tarifvertrag zum Beispiel einen Passus wie der des Manteltarifvertrag Einzelhandel

„Beschäftigte … können weitere tarifliche Entgeltansprüche ganz oder teilweise durch Entgeltumwandlung (z.B. Urlaubsgeld, Sonderzahlung) für die betriebliche Altersvorsorge verwenden – und zwar bis zu einer Höhe von 4 % der jeweils aktuellen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten.“

dürfte eine Absenkung zwingend werden. Aufgrund der expliziten Nennung  dieser 4 % Grenze, dürfte eine darüberhinausgehende Nutzung von Tarifentgelt nicht möglich sein.

Schlussbetrachtung
Weiterführende Informationen finden Sie z. B. auf der eingerichteten Landingpage der Allianz.
Zum Thema Tarifvertrag darüber hinaus hier: www.firmenonline.de

Wir möchten darauf aufmerksam, dass die dargestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und eine rechtsverbindliche Beratung und die rechtsverbindliche Auslegung des jeweiligen Sachverhaltes nicht ersetzen können. Generell empfiehlt sich zur verbindlichen Klärung die Einschaltung eines Rechtsberaters durch den Arbeitgeber bzw. die Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Arbeitgeberverband.

Gerne steht Ihnen auch unser Kooperationspartner Longial GmbH zur Beantwortung offener Fragen – und rechtlicher Würdigung aller individuellen Umstände – zur Verfügung. Sprechen Sie uns an, wir stellen bei Interesse Kontakt her.

Stand: 2022-01